Zwei Herzen schlagen stolz in seiner Brust. So könnte man jedenfalls das künstlerische Sehnen von Dieter Hoff beschreiben, dessen zwei großen musikalischen Vorlieben Pop und Elektro sind. Diese beiden weiten Musik-Felder führt er nun auf höchst ungewöhnliche Art und Weise bei seinem Soloprojekt HOFF zusammen. „Rosa“, die vielleicht herausragende Nummer aus seinem neuen, für den 3. Februar geplanten Soloalbum „Alien & Ewiglein“, ist eine atmosphärisch dichte Hybride aus elektronischer Musik und chansonhaftem Pop. „Rosa ist kaputtes Rot, eine Farbe aus Versehen, irgendwie halb tot.“ Mit leicht brüchiger, etwas aufgekratzter Stimme singt er diese merkwürdigen Zeilen eines Songs, den man in den frühen Morgenstunden einer langen Nacht verorten kann und der so etwas wie die Moritat für eine gescheiterte Liebe ist, Metapher auch für Menschen, die sich nicht richtig für eine Sache bekennen und entscheiden wollen. Eine technoide Mondscheinsonate, die ihre ganz eigene Faszination hat...und die neugierig macht auf HOFF, den Künstler und auf den Menschen hinter diesem Namen.
Wir wollen für ein paar Momente dieses Künstlerleben durch die rosa Brille betrachten. Dieter Hoff, Kölner Musiker, dessen Name womöglich bei vielen Menschen erst einmal ein Achselzucken hervorruft, sucht noch einmal seine Chance. Denn eigentlich hat Hoff schon so ziemlich alles mitgemacht, was die große, weite Welt des Musikbusiness an guten und bösen Überraschungen aufzubieten hat. Der Schlagzeuger, der auch Songtexte schreibt und komponiert, Keyboards spielt und programmiert, hat sich sogar als Verleger und Besitzer eines Techno-Labels etabliert. Den Aufstieg in die Charts, verbunden mit Ruhm, Geld und Gold, den hat er als Schlagzeuger von Purple Schulz in den 1980ern erlebt, schrieb unter anderem die Songtexte für die Top-Ten-Hits „Kleine Seen“ und „Verliebte Jungs“. Nach seinem Ausstieg aus der Band im Jahre 1987 folgte eine Phase der kompletten Neuorientierung. Der Musiker mit der Leidenschaft für Grooves ging erst einmal für zwei Jahre nach Afrika, reiste herum, blieb für längere Zeit in Tansania und Kenia, wo er unter anderem Gasthörer an der Universität von Nairobi war und mit Straßenmusikern musizierte.
Nach seiner Rückkehr vollzog er den Brückenschlag von den Tribal Beats Afrikas zu den Electro-Beats der Technoszene und gründete – nachdem er mit eher konventionellen Solowerken gescheitert war, sich jedoch zugleich ein lukratives Zubrot als Songschreiber für Künstler wie Milva und Peter Maffay verdiente – ein eigenes kleines, auf Ambient, House und Techno spezialisiertes Electro-Label mit dem schönen Namen Tonsport. Hierauf veröffentlichte er nicht nur 12inch-Vinylmaxis von renommierten DJs wie Gabriel Ananda, sondern produzierte unter dem Künstlernamen Freitag auch eigene Tracks. Neben den Maxis, die in kleinen überschaubaren Auflagen international vertrieben wurden – und sich durchaus rechneten – erschienen auf Tonsport auch bis dato zwei Compilations, auf denen der Versuch, Pop und Techno zusammenzubringen, schon erste zarte Früchte trug. So konsequent wie jetzt unter seinem neuen Künstlernamen HOFF hat er es jedoch noch nie umgesetzt.
HOFF ist ein feiner Beobachter und hat ein sensibles Gemüt. Vielleicht ist dies auch ein Grund, warum seine Lieder mitunter sehr fragil und melancholisch klingen. Da ist zum Beispiel „D’Artagnan“, das poetische Porträt einer Frau, die aus einer gescheiterten Ehe kommt und mit psychosomatischen Problemen in einer Psychiatrie landet. Dort träumt sie von einem Pferd, das den Namen der Hauptfigur aus Die drei Musketiere trägt. Kleine Fluchten und große Träume, begleitet von fließender Elektronik und einer luftigen, folkloristisch anmutenden Gitarre, die entfernt an den legendären Sigi Schwab erinnert. Wenn HOFF Songtexte schreibt, dann versucht er abgegriffene Klischees zu vermeiden, sondern sucht nach neuen Bildern und Metaphern, hat eine sehr direkte, unmittelbare Alltagspoesie entwickelt. Beste Beispiele hierfür sind das Porträt eines alten Freundes in dem durch Kindheitserinnerungen streifenden „Bernie“, die bittere Geschichte eines aus unerwiderter Liebe verzweifelten Mannes, der sich mit Selbstmordgedanken trägt („Mond“) oder die pointierte Skizze jenes Nerds, der belächelt wird und dann mit einer großartigen Erfindung durchstartet („Science Fiction“). HOFF hat ein Herz für Outsider, für menschliche Existenzen am Rande unserer Gesellschaft – und das macht ihn nur noch menschlicher.
Auf seinem Album „Alien & Ewiglein“ werden sich auch zwei wunderschöne Coverversionen befinden. Da ist zum einen der Tom Waits-Song „Time“, den vor Jahren das Kölner Urgestein Gerd Köster unter dem Titel „Zeit“ grandios in ein deutsches Klanggedicht verwandelt hatte. Liebevoll und nahezu zärtlich interpretiert HOFF diesen Klassiker. Zum anderen überzeugt er auch mit „Windstill“, einer lichten Adaption aus dem Werk der ostdeutschen Band Keimzeit. Darüber hinaus hat HOFF mit so atmosphärischen Balladen wie „Weiter mit dir“ auch flauschige Lounge-Momente geschaffen, die in der deutschen Popmusik rar gesät sind. Dieses Gefühl, dass er insbesondere mit einem Song wie „Rosa“ etwas ganz Außergewöhnliches kreiert hat, hat durchaus seine Berechtigung. Das Einzige, was ihm noch fehle, sei ein humorvoller Song, so einer wie „Der blöde Willi“, eine vor einigen Jahren veröffentlichte Single, die wider Erwarten zum Karnevalshit avancierte, obwohl sie eigentlich als Plädoyer gegen Gewalt gedacht war. Nun darf sich HOFF, dessen Toningenieur ihn als männliches Pendant zu Hildegard Knef bezeichnete, durchaus Hoffnung machen, dass er mit seinen elektronischen Liederetüden, die anmuten wie ein deutsches Pendant zum Nouvelle Chanson, den Nerv eines großen Publikums trifft. Man soll schließlich die HOFFnung nie aufgeben.